Composable Enterprise: Warum das Unternehmen der Zukunft modular aufgebaut ist
Marktveränderungen, disruptive Trends und Technologien, neue Wettbewerber – Unternehmen müssen sich immer schneller anpassen und weiterentwickeln können. Heute heißt das: agil werden.
Aber was heißt das konkret? Sich Agilität, ins Mission-Statement zu schreiben, hilft allein nicht. Das Composable Enterprise ist ein relativ neues Denkmodell, der diese Herausforderung zu meistern hilft. Das Modell beschreibt, wie ein Unternehmen auf allen Ebenen aufgebaut sein muss, um wandlungs- und widerstandsfähig zu bleiben.
In diesem Artikel erklären wir die strategischen und technologischen Aspekte des Composable Enterprise.
Was ist ein Composable Enterprise?
Das IT-Analystenhaus Gartner, das den Begriff des Composable Enterprise geprägt hat, definiert ihn folgendermaßen:
„An organization that delivers business outcomes and adapts to the pace of business change. It does this through the assembly and combination of packaged business capabilities (PCBs).”
Die technische Erklärung: Ein Composable Enterprise ist aus Packaged Business Capabilities (PBC) aufgebaut. In einem weiteren Artikel finden Sie eine ausführliche Erklärung, was Packaged Business Capabilities sind.
Was ist das Ziel eines Composable Enterprise?
Ein Composable Enterprise (oder Composable Business) ist weniger anfällig für Störungen, kann sich schnell genug an neue Anforderungen anpassen und unter schwierigen Marktbedingungen gute Ergebnisse liefern.
Gartner liefert dazu weitere Hinweise. Unternehmen müssen:
akzeptieren, dass der disruptive Wandel zur Normalität gehört, und sich dafür widerstandsfähig aufstellen.
disruptiven Wandel sogar als Chance begreifen und ihn nutzen, indem sie sich in einer modular Struktur organisieren.
die modularen Business-Funktionen immer wieder neu kombinieren, sodass sie die gewünschten Ergebnisse produzieren können.
bereits frühzeitig erkennen, wann sie sich ändern müssen.
ihren Business Units die Autonomie gewähren, um kreativ auf den Wandel zu reagieren.
Aus diesen Beschreibungen wird deutlich: Es geht nicht nur um ein modulares Technologie-Konzept, sondern um eine modulare Architektur des gesamten Unternehmens und die richtige Denkweise dafür.
Durch eine Analogie wird das Modell anschaulich: Im Gegensatz zu einem großen Schlachtschiff ist eine Composable Enterprise ein Verband wendiger Fregatten. Diese können je nach Lage und Mission in verschiedenen Formationen fahren und diese blitzschnell ändern. Zusätzlich agiert jede Fregatte autonom, kann auf drohende Gefahren reagieren oder den Verband für einen Spezialauftrag verlassen.
Gartner prognostiziert, dass schon in wenigen Jahren für Unternehmen überlebenswichtig sein wird, wie ein Composable Enterprise zu denken. Sie werden neue Features oder Funktionen 80 % schneller umsetzen können als andere.
Die drei Grundsätze des Composable Enterprise
Das Modell des Composable Enterprise basiert auf drei Grundsätzen:
Modulare Architektur
Alle Komponenten des Unternehmens – die Packaged Business Capabilities – sind in sich geschlossene Systeme. Sie können unabhängig von anderen entwickelt, verändert oder ausgetauscht werden; und mit anderen Komponenten immer neu kombiniert werden (siehe: Best-of-Breed-Ansatz).
Die Modularität bezieht sich hauptsächlich auf IT-Systeme und digitale Services – jedoch muss auch die Unternehmensstruktur selbst neu geordnet werden. Die beste Technologie nützt nichts, wenn sich Abteilungen um Verantwortlichkeiten streiten, sich gegenseitig blockieren oder Doppelstrukturen aufbauen.
Offenes Ökosystem
Entwickler und Nutzer in einem Unternehmen können sich jeweils die Tools für ihre Arbeit zusammenstellen, die am besten geeignet sind. Die Tools können selbst entwickelt oder zugekauft sein, oder on-demand genutzt werden. Da alle Tools Standard-Schnittstellen nutzen, können sie leicht integriert werden.
Unternehmen können Marktplätze aufbauen, auf denen Entwickler und Nutzen kompatible Systeme auswählen können. Dadurch werden sie sehr flexibel und unabhängig von einzelnen Anbietern. Wenn sie eine neue Funktion brauchen, können sie diese innerhalb von Tagen oder sogar Stunden integrieren – ohne langwieriges IT-Projekt.
Business-zentriert
Trotz des stark technologie-getriebenen Ansatzes muss der Fokus auf den Anwendenden liegen. IT-Systeme sind nur Mittel zum Zweck, damit alle Mitarbeitenden des Unternehmens ihre Aufgaben erledigen und Ergebnisse produzieren können.
Sie müssen die Tools nutzen können, ohne permanent auf die IT-Abteilung angewiesen zu sein. Wenn Fachabteilungen für jede kleine Anpassung ein Feature Request auslösen und auf freie IT-Ressourcen warten müssen, ist es mit der Agilität dahin: Das Ziel des Composable Enterprise wird verfehlt.
Technologische Konzepte des Composable Enterprise
Eine Reihe von Technologien sind für die Umsetzung des Composable Enterprise erforderlich, allen voran die MACH-Technologien:
Microservices (M)
Microservices sind kleine IT-Komponenten – sozusagen Mini-Programme – die jeweils eine Funktion erfüllen. Sie können miteinander zu größeren Funktionen oder Lösungen kombiniert werden.
Beispiel: Der Check-out-Prozess im Online-Shop enthält sowohl den Microservice für die Kreditkartenzahlung als auch den für die Generierung der Paketnummer. Die Microservices können ebenfalls in einer App oder an beliebigen anderen Stellen verwendet werden.
APIs (A)
APIs (Application Programming Interfaces) sind Schnittstellen zwischen verschiedenen Systemen oder Services, über die diese miteinander kommunizieren. Sie verbinden sozusagen die Elemente des Composable Enterprise.
Der große Vorteil von APIs: Sie sind standardisiert. Einzelne Systeme können einfach verknüpft werden und „verstehen“ sich auf Anhieb; es muss keine individuelle Schnittstelle programmiert werden.
Cloud-native (C)
Cloud-native bedeutet, dass alle Software-Komponenten in einer Cloud-Umgebung verfügbar sein sollten. Dadurch sind sie von überall aus erreichbar und können mit anderen Systemen oder Services verknüpft werden, intern wie extern. Außerdem sind professionelle Clouds sehr sicher und hoch skalierbar.
Über SaaS-Modelle (software as a service) können Funktionen von externen Anbietern on-demand gebucht und genutzt werden – diese werden ebenfalls in einer Cloud betrieben. Dank der oben beschriebenen APIs funktioniert das problemlos.
Headless (H)
Das Headless-Konzept wird meist auf CMS angewandt, ist jedoch nicht darauf beschränkt: Es bedeutet, dass Systeme kein fest gekoppelten Front- und Backends haben, wie etwa das CMS WordPress oder gängige Shop-Systeme.
Headless-Systeme haben nur ein Backend, in dem die Daten gepflegt werden: zum Beispiel Marketing-Texte, Videos oder Produktdaten. Über APIs können die Daten in jede Art Frontend oder in andere Systeme ausgespielt werden.
Event-driven Architecture
Die Event-driven Architecture (EDA) ist eine sehr lockere Art der Verbindung zwischen digitalen Systemen und Services. Wie funktioniert sie?
In einer Komponente passiert etwas – ein Ereignis oder Event –; zum Beispiel klickt ein Nutzer einen Button. Die Komponente sendet eine Meldung. Andere Komponenten werden über das Ereignis benachrichtigt, und lösen eine Aktion aus. Das Besondere an EDA: Die sendende Komponente „weiß nicht“, von welchen und wie vielen Komponenten die Meldung gelesen wird und was diese daraufhin tun. Es ist ihr sozusagen egal.
Diese Art der Architektur ist ideal für modulare Systemlandschaften. Da keine festen Verbindungen zwischen Komponenten bestehen, können diese jederzeit neu kombiniert oder ausgetauscht werden. Außerdem können Anwendende leicht neue Prozesse erstellen, durch simple Wenn-Dann-Abfragen. Über sogenannte No- oder Low-Code-Plattformen geht das ganz ohne Programmierkenntnisse.
Low-Code-Plattformen
Wie bereits erwähnt muss ein Composable Enterprise den Business Units ermöglicht, schnell und flexibel zu reagieren und neue Lösungen zu implementieren. Low-Code- oder No-Code-Plattformen sind wichtige Tools, um dieses Ziel zu erreichen.
Über diese Plattformen können Anwendende neue Funktionen entwickeln, Prozesse modellieren, oder ganze Apps erstellen – ohne zu programmieren, oder zumindest nur auf einem einfachen Level. Manche Plattformen haben eigene Programmiersprachen, die für Laien leicht zu lernen sind.
Dadurch können Business-Anwendende unabhängig von der IT agieren. Selbst wenn doch noch Programmierer gebraucht werden, brauchen diese deutlich weniger Zeit, und viel weniger Spezialkenntnisse.
Die Transformation zum Composable Enterprise
Wie gestalten Sie die Transformation hin zu einem Composable Enterprise? Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze, abhängig von Ihrer aktuellen IT-Landschaft.
Wenn Sie bereits eine moderne, (relativ) modulare Systemarchitektur haben, können Sie diese schrittweise umbauen. Setzen Sie Prioritäten, welche Systeme und Business-Funktionen Sie zuerst neu einführen oder austauschen wollen. Nach und nach arbeiten Sie die einzelnen Baustellen ab.
Betreiben Sie noch eine „herkömmliche“, vielleicht seit Jahrzehnten gewachsene IT, bestehend aus wenigen, großen Systemen? Dann ist ein Umbau nicht möglich. Entwickeln Sie neben dem laufenden Betrieb eine neue Plattform, auf Basis der oben genannten Technologien. Migrieren Sie einzelne Funktionen auf die neue Plattform und entwickeln Sie diese agil weiter – bis sie irgendwann ihre alten Systeme komplett ablöst.