Digitalisierung des Versicherungsvertriebs: das Beste aus zwei Welten
Nicht nur Sneakers, Smartphones und Sachbücher: auch die Bereitschaft, Versicherungen online einzukaufen, steigt. Doch komplett vergleichbar sind die Märkte nicht. Beim Kauf einer Versicherung zählen andere Werte als bei einem Paar Schuhe.
Das Versicherungsgeschäft basiert größtenteils auf Vertrauen und der Beratungsbedarf ist hoch. Zudem unterscheiden sich selbst Versicherungsprodukte untereinander stark und haben jeweils andere Anforderungen.
Wenn Versicherer ihren Vertrieb digitalisieren möchten, müssen sie daher ihren eigenen Weg finden, der zu ihrer Identität und ihrer Kundschaft passt. In diesem Artikel besprechen wir die Herausforderungen dabei und analysieren sechs verschiedene Möglichkeiten für die Digitalisierung des Versicherungsvertriebs.
Digital plus persönlich: Der Versicherungsvertrieb wird und bleibt hybrid
Die Digitalisierung des Versicherungsvertriebs findet in einem besonderen Umfeld statt: der Markt ist deutlich zweigeteilt, sowohl auf Anbieter- als auch auf Kundenseite.
Die Anbieter: Direktversicherer haben weder Außendienst noch Zweigstellen und setzen schon lange auf digitalen Vertrieb. Auch Sachversicherungen lassen sich volldigital verkaufen, da die Tarife recht einfach zu berechnen sind. Auf der anderen Seite stehen Versicherungsgesellschaften mit eigenen Agenturvertrieben, die hauptsächlich auf persönliche Betreuung setzen. Kompliziertere Produkte im Bereich Leben, Gesundheit und Vorsorge werden vornehmlich noch im direkten Kontakt abgeschlossen.
Die Kunden: Die jüngeren Generationen kaufen auch Versicherungen eher digital ein und legen weniger Wert auf persönliche Beratung. Ein Großteil des Kundenbestands der Versicherungen besteht jedoch aus Menschen mittleren und höheren Alters, die digitalen Kanälen noch skeptisch gegenüberstehen.
In der Studie „Versicherungsvertrieb in Zeiten der Pandemie“ von pwc wurden 1.000 Endkunden nach ihren Vorlieben beim Versicherungskauf gefragt. Jeweils rund 40 Prozent gaben an, dass sie sich nach wie vor am liebsten beim Versicherungsvermittler oder -makler beraten lassen und die Versicherung auch dort abschließen möchten. (Die weiteren Zahlen in diesem Artikel stammen ebenfalls aus dieser Studie.)
Sofern sie sich nicht nur auf eine spitze Zielgruppe konzentrieren, müssen Versicherungen bei der Digitalisierung behutsam vorgehen und digitalen mit persönlichem Vertrieb sinnvoll kombinieren. Wie schaffen sie das? Wir stellen sechs verschiedene Wege vor.
1. Digitale Kommunikationskanäle
Für zwei Drittel der Kunden ist persönliche Beratung beim Thema Versicherungen das Nonplusultra: entweder beim Vermittler oder Makler (42 %) oder direkt beim Versicherer (25 %). Je mehr Kontaktmöglichkeiten die Versicherer anbieten, desto leichter machen sie es ihren Kunden.
Telefon, E-Mail und Chat sind – neben persönlichen Terminen – die beliebtesten Kommunikationsmittel. Videotelefonie und Instant Messenger sind bisher noch weniger beliebt, nur 5 bis 10 Prozent der Kunden nutzen sie gerne. Das Ergebnis sähe anders aus, würde man nur die jüngeren Kunden befragen.
Welche Kontaktmöglichkeiten Versicherungen auch anbieten: es kommt auf die Erreichbarkeit und Beratungsqualität an. Hier unterstützten digitale Tools: Durch automatisierte Prozessen können E-Mails schneller bearbeitet werden. Chatbots können simple Standardfragen selbstständig beantworten. Wenn Mitarbeitende im Callcenter und in den Agenturen immer Zugriff auf aktuelle und umfassende Informationen haben, können sie Kunden schnell und kompetent beraten.
2. Info-Content auf der Website
Neben dem persönlichen Kontakt sind die Informationen auf der Website der wichtigste Kanal im digitalen Versicherungsvertrieb. 46 Prozent der Kunden recherchieren vor einem Kauf im Internet und 39 Prozent schauen gezielt auf den Websites der Anbieter nach.
Für kaufbereite Besucher müssen die Versicherer produktbezogene Informationen bereitstellen – ausführlich und leicht verständlich. Die Hannoversche etwa erklärt auf der Produktseite zur Berufsunfähigkeitsversicherung alles, was man darüber wissen muss: von Antworten auf allgemeine Fragen bis zu Tarifdetails, mit Videos und Vergleichstabellen.
Mit Ratgeber oder Blogs können Versicherer Website-Besucher in früheren Phasen der Customer Journey ansprechen: sie etwa über Risiken aufklären oder darüber, welche Versicherung für welche Lebenssituation geeignet ist. Dieses Ziel erreicht die Hannoversche mit dem Magazin „WissensWert“, das übersichtlich nach verschiedenen Zielgruppen und Themen kategorisiert ist.
Für Suchmaschinen optimierte Inhalte sorgen zudem dafür, dass Suchende direkt auf die eigene Website gebracht werden und dort gleich aktuelle und korrekte Informationen erhalten.
3. Social Media Marketing
13 Prozent der Kunden geben an, dass sie sich am liebsten in sozialen Medien über Versicherungen informieren. Das klingt nach wenig. Trotzdem sind Plattformen wie Facebook – oder LinkedIn im B2B-Umfeld – wichtige Kanäle, um in Kontakt mit potenziellen Kunden zu kommen. Dort lässt sich Aufmerksamkeit für bestimmte Themen schaffen; die Beratung wird dann in anderen Kanälen fortgesetzt.
Soziale Medien leben stark von persönlichen Inhalten und Kontakten. Versicherungsmakler und -vermittler können sie als Werkzeug für den eigenen Vertrieb nutzen und damit ihr Netzwerk erweitern. Versicherer sollten dies unterstützen, indem sie regelmäßig Content zur Verfügung stellen, den die Vertriebler anpassen und für ihre persönlichen Aktivitäten verwenden können.
4. Vergleichsportale und Partner-Websites
Die Macht der Vergleichsportale ist im Versicherungsbereich ungebrochen: 41 Prozent der Kunden informieren sich dort gerne, und 29 Prozent bevorzugen es sogar, wenn sie eine Versicherung direkt dort abschließen können.
Auf Vergleichsportalen sind Preis und Leistung der Tarife entscheidend für die Platzierung in den Ergebnislisten. Ansonsten haben Versicherer wenig Möglichkeiten, ihren Erfolg dort zu beeinflussen. Die wichtigste davon ist: immer aktuelle, umfassende und gut aufbereitete Daten bereitzustellen. Idealerweise bieten sie Schnittstellen (APIs) an, über die die Vergleichsportale jederzeit Daten und Content importieren können. Dasselbe gilt für andere Partner-Websites, auf denen Versicherungsprodukte vorgestellt werden.
5. Online-Tarifrechner (Conversational Forms)
„Was kostet das?“ ist die wohl wichtigste Frage beim Versicherungskauf; mit knapp 40 Prozent war der Preis das am häufigsten genannte Entscheidungskriterium in der pwc-Befragung. Tarifrechner gehören deshalb zum Standardrepertoire im digitalen Versicherungsvertrieb.
Je komplizierter die Tarife, desto wichtiger ist die leichte Bedienung und die Erklärung der einzelnen Eingaben. Die Hannoversche hat ihre Tarifrechner als sogenanntes Conversational Form umgesetzt: Die Angaben werden in einem Dialog nacheinander abgefragt, im Stile eines persönlichen Chats, nicht wie in einem Standardformular. Zu jedem Punkt gibt es hilfreiche Erklärungen. Falls jemand trotzdem nicht weiterkommt, sieht er jederzeit die Telefonnummer der Antrags-Hotline.
6. Angebotserstellung und Vertragsabschluss
Bei einfacheren Produkten – wie Haftpflichtversicherungen – sind komplett digitale Angebotserstellung und Vertragsabschluss bereits üblich: Kunden machen online alle Angaben, erhalten ein Preisangebot, kaufen ein Produkt und erhalten im Anschluss alle notwendigen Dokumente. Mit Verfahren wie POSTIDENT oder Video-Ident kann sich der Kunde persönlich identifizieren lassen, falls das erforderlich ist.
In anderen Bereichen ist der Prozess deutlich mühsamer: Fragebögen werden auf Papier oder als PDF ausgefüllt, unterschrieben und hin- und hergeschickt. Versicherungen mit eigenem Vertrieb setzen bewusst auf persönlichen Kontakt bei Angebotserstellung und Abschluss.
Auch in diesem Fall vereinfachen digitale Tools Verkäufern wie Kunden das Leben. Statt per E-Mail oder Post könnten beide Dokumente über einen sicheren Cloud-Speicher austauschen, ausfüllen und digital signieren. Beide hätten jederzeit den Überblick über die vorhandenen Dokumente, die Bearbeitung würde erheblich beschleunigt – und die Kundendaten wären deutlich besser geschützt.
DXP: die technologische Basis für den digitalen Versicherungsvertrieb
Der digitale Versicherungsvertrieb erfordert eine solide und skalierbare technologische Basis. Einzelne Tools sind nicht ausreichend. Alle Kanäle und Angebote müssen auf eine gemeinsame Plattform aufbauen und miteinander integriert sein.
Eine solche Lösung nennt sich Digital Experience Plattform. Sie bietet unter anderem die Möglichkeit, Info-Content auf vielen Kanälen auszuspielen, Vergleichsportale anzubinden, Tarifrechner als Conversational Forms oder Chatbots in die Website zu integrieren.
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