Omnichannel Commerce: Definition, Vorteile und Herausforderungen
Offline- oder Online-Shopping – was ist Kunden lieber? Die Antwort: Es ist ihnen egal. Hauptsache, es ist bequem und sie bekommen, was sie suchen.
Sie nutzen täglich verschiedene Kanäle, um sich zu informieren und einzukaufen, sie surfen mit dem Smartphone, während sie durchs Shopping-Center bummeln.
Was bedeutet das für Händler, Hersteller und Marken? Sie benötigen eine Omnichannel-Strategie, um die Erwartungen ihrer Kundschaft erfüllen zu können. In diesem Artikel erfahren Sie, was genau darunter zu verstehen ist und wie ein Omnichannel Commerce in der Praxis aussieht.
Definition: Was ist Omnichannel Commerce?
Das Motto von Omnichannel Commerce lautet: Die Kunden sollen einkaufen können, wo immer sie wollen, wann immer sie wollen und wie immer sie wollen. Händler und Marken müssen auf verschiedenen Kanälen präsent sein, dort jeweils Informationen bereitstellen und ihre Produkte verkaufen. Zudem müssen diese Kanäle nahtlos ineinander übergehen, damit Kunden mühelos von einem zum anderen wechseln können.
Neben Online-Shops, Websites und Apps bezieht eine Omnichannel-Strategie unter anderem auch den stationären Einzelhandel mit ein, sowie Kommunikationskanäle wie E-Mails oder Telefon, Social Media und klassische Medien.
Dieser Trend folgt den aktuellen Kundenerwartungen, wie diese Grafik aus der Omnichnannel Studie 2020 von Salesforce zeigt:
Demnach nutzen 39 % der befragten Kunden im Bereich Mode und Bekleidung 2–3 Informationsquellen, bevor sie ein Produkt kaufen; 43 sogar 4 Quellen und mehr. Im Lebensmittelhandel hinkt die Entwicklung noch leicht hinterher. 46 % nutzen 2–3 Informationsquellen, 31 % nutzen 4 und mehr.
Nur jeweils 17 % oder 23 % nutzen lediglich eine Informationsquelle: sie gehen also beispielsweise direkt in den Supermarkt, ohne sich vorher anderweitig informiert zu haben. Offensichtlich ist dieses Verhalten ein Auslaufmodell.
Daran zeigt sich: Händler und Marken, die nur einen Kanal anbieten, verlieren wertvolle Käuferschichten. Dasselbe gilt, wenn sie zwar mehrere Kanäle betreiben, Kunden diese aber während des Einkaufsprozesses nicht so leicht parallel nutzen können.
Gehen wir nach diesem Überblick ins Detail: Was macht eine Omnichannel Strategie aus? Welche Maßnahmen gehören dazu und wo liegen die konkreten Vorteile?
Single Channel, Multichannel, Cross Channel, Omnichannel
Vom Marktstand bis zum internationalen E-Commerce-Riesen: Der Handel hat eine lange Entwicklung hinter sich. Diese lässt sich in vier Verkaufsstrategien beschreiben. Deren Definition hilft, den Begriff Omnichannel besser zu verstehen. Was bedeuten sie?
Single Channel
Händler verkaufen über nur einen Kanal, den Single Channel: nur über ihr jeweiliges Ladengeschäft, ihren Versandkatalog oder, in modernerer Zeit, in ihrem Online-Shop.
Multichannel
Mit einer Multichannel-Strategie verkaufen Händler auf mehreren Kanälen: zum Beispiel über ihr stationäres Geschäft und ihren Online-Shop; oder über den Online-Shop und den gedruckten Katalog. Die Kanäle sind jedoch nicht verknüpft: Kunden können während eines Kaufprozesses – der sogenannten Customer Journey – nur den einen oder den anderen nutzen.
Cross Channel
Bei einem Cross-Channel-Konzept verkaufen Händler ebenfalls über mehrere Kanäle. Im Gegensatz zum Multichannel-Ansatz können Kunden jedoch leichter zwischen den einzelnen Kanälen wechseln. Sie können etwa einen Artikel im Online-Shop bestellen und im Ladengeschäft abholen und zurückgeben. Allerdings müssen sie dabei noch gewisse Einschränkungen oder Umstände in Kauf nehmen, beispielsweise unterschiedliche Zahlungsoptionen oder erschwerte Kulanzbedingungen.
Omnichannel
Omnichannel Commerce bezeichnet grundsätzlich das Gleiche wie Cross-Channel, nämlich dass Kunden mehrere Kanäle nutzen können. Omnichannel setzt jedoch der Fokus darauf, dass Kunden über alle Kanäle und über die gesamte Customer Journey hinweg ein einheitliches Kundenerlebnis geboten bekommen.
Der Wechsel zwischen den Kanälen soll so einfach und bequem wie möglich sein und darf keine Einschränkungen oder Nachteile mit sich bringen. Kunden sollen praktisch gar nicht spüren, dass sie unterschiedliche Kanäle nutzen und jederzeit die freie Wahl haben.
Außerdem bezieht Omnichannel nicht nur Verkauf und Logistik ein, sondern auch die Kundenkommunikation, wie Werbung und Kundenservice sowie Content-Marketing. Diese Maßnahmen müssen für Kunden ebenfalls auf deren bevorzugten Kanälen verfügbar sein und sich nahtlos in die gesamte Customer Experience einfügen.
Manchmal wird auch der Begriff Omnichannel E-Commerce verwendet, der per Definition nur digitale Kanäle einschließt. Diese Unterscheidung ist aber zwischenzeitlich zur Makulatur geworden: Kein Kunde interessiert sich dafür, ob ein Kanal digital ist oder nicht – und es gibt kaum einen großen Online-Händler, der mittlerweile nicht zumindest über stationäre Verkaufsstellen nachdenkt.
Kanäle im Omnichannel Commerce
In diesem Artikel war oft von Kanälen – den Channels – die Rede. Welche Kanäle können Groß- und Einzelhändler oder Markenhersteller für Ihre Omnichannel-Strategie nutzen: für den Verkauf und die Kommunikation?
Eigene Kanäle
Unternehmens-Website
Online-Shop
Blog, Online-Magazin
Apps für Smartphone, Wearables und andere Smart Devices
Stationäre Ladengeschäfte
Gedruckte Kataloge, Direktwerbung
E-Mails, Newsletter
Telefon
SMS- oder Push-Benachrichtigungen
Externe Kanäle
Werbung: TV, Print, Online, Out-of-Home
Soziale Netzwerke (Facebook, Instagram, Pinterest)
Mobile Messenger (WhatsApp, WeChat)
Marktplätze (Amazon, eBay)
Preisvergleichsportale (Idealo, billiger.de)
Suchmaschinen (Google, Bing)
Aus der bereits erwähnten Salesforce-Studie geht hervor, dass externe Kanäle eine wichtige Rolle im Kaufprozess spielen. So nutzen 39 % der Kunden Foren, Preisvergleichsseiten oder Apps, um sich über Modeartikel und Trends zu informieren. Bei Lebensmitteln sind die Recherche über Google und in Zeitschriften deutlich beliebter als in Online-Shops.
Die Grafik zeigt weitere Quellen, über die sich Kunden in den beiden Bereichen informieren:
Immer mehr Verkaufskanäle
Kanäle wie Social Media oder Messenger-Apps dienten lange nur zur Kommunikation. Mittlerweile bieten viele davon Funktionen, mit denen Kunden direkt Produkte bestellen, bezahlen oder auch Retouren planen können – ohne Umweg über einen Online-Shop. Dadurch werden sie zu weiteren Verkaufskanälen. Selbst einfache Anzeigen oder Plakate lassen sich durch QR-Codes zum direkten Abverkauf nutzen.
Zudem kommen durch technologische Innovationen immer wieder neue Kanäle hinzu. Die Potenziale von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) sind noch nicht ansatzweise ausgeschöpft. Beispielsweise ist zu erwarten, dass Facebooks geplantes VR-Universum Metaverse nicht nur zur Unterhaltung dienen, sondern ganz neue Chancen für Werbung und E-Commerce eröffnen wird.
Zurück in die Gegenwart: Durch welche Maßnahmen können Händler ihr Omnichannel-Konzept zum Leben erwecken?
Beliebte Omnichannel-Maßnahmen
Omnichannel Commerce geht darüber hinaus, auf mehreren Kanälen präsent zu sein und Kunden die technische Option anzubieten, zwischen den Kanälen hin- und herzuwechseln. Unternehmen müssen alle Maßnahmen aufeinander abstimmen.
Häufige Maßnahmen im Omnichannel-Commerce sind unter anderem:
Kostenfreie Lieferung und Rücksendung
Einheitliche Preise auf allen Kanälen (online und offline)
Retouren aus Online-Bestellungen im Laden zurückgeben
Ware online bestellen und bezahlen, im Laden abholen (Click & Collect)
Ware online bestellen, im Laden anprobieren und bezahlen
Bestellungen außerhalb der Öffnungszeiten im Laden abholen
Waren im Laden bestellen, nach Hause liefern lassen
Online die Verfügbarkeit von Waren im Laden nachschauen
Gutscheine und Rabatte gelten auf allen Kanälen
Kundenkarte auf allen Kanälen nutzen und Treuepunkte sammeln
Im Laden über das Smartphone zusätzliche Produktinformationen abrufen
Im Laden mit der Kunden-App bezahlen
Personalisierte Push-Werbung im Laden auf dem Smartphone
Vorteile von Omnichannel Commerce
Welche Ziele können Unternehmen durch eine konsequente Omnichannel-Strategie erreichen? Lohnt sich der nicht zu unterschätzende Aufwand für Anbieter?
Mehr Verkäufe, höhere Kundenbindung
Faktisch verdienen Unternehmen mit ausgereiften Omnichannel-Konzepten deutlich besser. Ihre Kaufraten, die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sind höher. Das wurde bereits vielfach nachgewiesen, wie etwa in einer Studie von Omnisend aus dem Jahr 2020. Auszugsweise vier interessante Zahlen:
Marketing-Kampagnen, die drei und mehr Kanäle nutzen, erzielten eine um 287% höhere Kaufraten als Single Channel-Kampagnen.
Verglichen mit Single Channel, ist die Kaufhäufigkeit von Omnichannel-Kunden um 250% höher.
Der durchschnittliche Warenkorbwert ist 13% höher.
Die Kundenbindung ist um 90% höher.
Case Study Hunkemöller
Auch eine Case Study von Hunkemöller (Quelle: Think with Google) weist den Erfolg einer Omnichannel-Strategie nach: Die Unterwäsche-Boutiquen-Kette führte 2018 eine mobile App und Services wie Click & Collect und Warenrückgabe im Geschäft ein. Es dauerte zwar, bis sich die Maßnahmen auszahlten. Jedoch war die Wirkung nach zwei Jahren offensichtlich: von 5 Mio. aktiven Kunden hatten 3,2 Mio. die App heruntergeladen; und 80% der Besucher in den Geschäften nutzen vorher die App.
Je mehr Kanäle eine Marke ihren Kunden bietet, und je besser diese vernetzt sind, desto häufiger werden sie kaufen, und desto seltener werden sie zum Wettbewerber wechseln. Warum auch, wenn sie ein rundum großartiges Erlebnis geboten bekommen?
Gegenüber dem Wettbewerb differenzieren
Durch solch exzellente Customer Experience können Unternehmen bei ihrer Kundschaft punkten und sich ein Alleinstellungsmerkmal aufbauen. Während sich Produkte und Preise oft kaum noch unterscheiden, gibt es bei Einkaufserlebnis und Kundenservice vielerorts noch reichlich Luft nach oben: Potenzial zur Differenzierung, das sich Unternehmen zunutze machen sollten – bevor es andere tun.
Das Unternehmen durch Daten optimieren
Nicht zuletzt bedeuten mehr Kundenkontakte und mehr Verkäufe auch: mehr Daten. In Online-Shops und anderen selbstverwalteten digitalen Kanälen lässt sich das Kundenverhalten relativ leicht messen. Bei externen Kanälen wird es schwieriger. Über Kunden-Apps, interaktive POS-Lösungen, Gutscheine oder QR-Codes können Unternehmen Kunden motivieren, öfter mit ihnen zu interagieren.
Dadurch können sie wertvolle Erkenntnisse über das Kaufverhalten und die Vorlieben der Kunden gewinnen, und damit ihre Angebote weiter optimieren und noch besser auf die Zielgruppen zuschneiden – und noch schneller wachsen. Daten sind der Wettbewerbsvorteil, wie die Marktmacht der Riesen Google und Amazon zeigt.
Die technologischen Herausforderungen
So überzeugend die Argumente für den Omnichannel Commerce klingen, so schwierig kann sich die Umsetzung in der Praxis gestalten. Die oben angesprochene Diskrepanz zwischen Kundenansprüchen und der Realität kommt nicht von ungefähr.
Denn damit Kunden nahtlos und mühelos zwischen den Kanälen wechseln können, müssen im Hintergrund eine Menge unterschiedlichster IT-Systeme – der sogenannte Tech-Stack – zusammenspielen:
Content Management System, Online-Shop, Warenwirtschafts- und ERP-Systeme, Zahlungs- und Logistiklösungen sowie Analyse-Tools sind nur einige davon. Alle Lösungen müssen in Echtzeit miteinander kommunizieren können. Auch immer neue Kanäle und Service hinzukommen, muss das gesamte System leistungsfähig, flexibel und beherrschbar bleiben.
Marketer, Content Manager, Kundenservice- und Verkaufsmitarbeiter müssen die Lösungen leicht nutzen können: ohne dauernd auf die IT angewiesen zu sein, und ohne ständig zwischen verschiedener Software hin- und herspringen oder gar Daten manuell übertragen zu müssen. Sie müssen Customer Experiences für alle Kanäle erstellen, steuern und optimieren können.
Ein Tech-Stack, der all diese beschriebenen Herausforderungen meistert, wird als Digital Experience Plattform bezeichnet. Was ist darunter genau zu verstehen und wie ermöglicht eine DXP die Umsetzung von Omnichannel Commerce? Erfahren Sie mehr in unserem Artikel: Zur nahtlosen digitalen Customer Journey mit einer Digital Experience Platform.